Diagnostik mithilfe der Photonik
Point-of-Care-Diagnose für mehrere Krankheiten gleichzeitig. Sie zählen zu unserem Alltag und sind namentlich spätestens seit Beginn der COVID-19-Pandemie auch einem fachfremden Publikum bekannt: PCR- oder anderweitige Antigentests. Zum Abschluss eines transnationalen Forschungsprojekts erklärt das Konsortium unter der Leitung des Fraunhofer IZM nun, dass eine präzise photonische Point-of-Care-Plattform die neue Generation diagnostischer Systeme einführt. Das Kernstück der Plattform ist ein automatisches Auslesegerät auf der Basis von Mikrostrukturen aus optischen Fasern, die höchstgenaue Messungen gewährleisten und gleichzeitig bis zu sechs photonische Sensoren analysieren können. Krankheiten wie Tuberkulose und Q-Fieber können damit künftig frühzeitig erkannt und behandelt werden.
Im Gegensatz zu anderen Diagnosetechnologien, die in ihrer Zuverlässigkeit, Größe oder Erschwinglichkeit eingeschränkt sind, revolutionieren photonische Sensorplattformen die Point-of-Care-Diagnosemethoden, indem sie hohe Empfindlichkeit, Kompaktheit und Multiplex-Fähigkeiten für den schnellen und verlässlichen Nachweis von Infektionskrankheiten ermöglichen.
In dem vom Fraunhofer IZM koordinierten Projekt ›PoC-BoSens‹ kam das internationale Konsortium aus den Forschungsfeldern Photonik, Mikrofluidik, Biochemie, Elektronik und Biomedizin zusammen, um ein optofluidisches, patientennahes Diagnostiksystem für zellbasierte Proben zu entwickeln, das die quantitative Bestimmung unterschiedlicher Biomarker für mehrere Infektionskrankheiten in weniger als 15 Minuten ermöglicht. Die Projektkoordinatorin Dr. Alethea Vanessa Zamora Gómez vom Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM erklärt: »Wir haben unsere Projektziele erreicht und können in einem bereits bestätigten Folgeprojekt die endgültige Integration der Prototypkomponenten und deren Qualifizierung mit den Projektpartnern realisieren. Zu den nächsten Schritten auf dem Weg zur Kommerzialisierung der Plattform gehören daher die Hochskalierung der optofluidischen Kartusche und der Ausleseeinheit, die klinische Verifizierung und die Validierung für die CE-Kennzeichnung.«
Die Technologie hinter der PoC-BoSens-Plattform besteht aus einer Kombination neuartiger, photonischer Flaschenmikroresonatoren aus Glasfasern und einem mikrofluidischen System zum Transport der Testproben. Flaschenmikroresonatoren zählen zu einer Klasse von photonischen Strukturen, die sich durch besondere Sensitivität und hohe Kompaktheit auszeichnen und sich daher für eine multiplexfähige, schnelle Detektion von Zielmolekülen in beispielsweise PoCAnwendungen sehr gut eignen. Allerdings waren Integrationslösungen zuvor weder für solche Flaschenresonatoren noch für andere dreidimensionale, optische Mikroresonatoren verfügbar, was ihren Einsatz bislang verhindert hat. Genau hier setzt das Team am Fraunhofer IZM an: Der erste Biosensor-Prototyp zeigt die Demonstration der Integration einer praktischen Chip-Kartusche basierend auf vier Mikroflaschenresonatoren. Mit Hilfe von halbautomatischen Werkzeugen in den Laboren des Fraunhofer IZM wurden diese Mikrostrukturen auf einem photonischen Chip mit hoher Präzision von unter einem Mikrometer eingebracht.
In einem zweiten Schritt wurde der hybride photonische Chip mit einem Mikrofluidik-Chip verbunden. Eine solche optofluidische Konfiguration eignet sich sehr gut für eine mehrkanalige Detektion von Zielmolekülen. Ein kompletter Integrationsprozess eines Arrays von Mikroflaschen auf einem Chip ist aufgrund seiner Komplexität noch nie durchgeführt worden. Das Projektteam am Fraunhofer IZM ist dieses Wagnis eingegangen: Der assemblierte Chip kann nun mit dem Auslesesystem kombiniert werden, um Zytokine als Zielmoleküle in der PoCBoSens-Plattform zu analysieren. Zytokine bilden eine vielfältige Gruppe von Eiweißen, die eine wichtige Rolle sowohl bei Krankheitserregern von Tuberkulose und Q-Fieber als auch im Immunsystem spielen. Weitere Anwendungen könnten dem Nachweis von Antikörpern dienen, die bei Zöliakie und anderen Krankheiten relevant sind, bei denen schnelle Diagnose- und Überwachungstests unerlässlich sind. Ein multidisziplinäres Konsortium arbeitet weiterhin an den Ergebnissen des Projektes, um weitere Fortschritte für die Diagnostik zu liefern. Die beteiligten Partner aus vier verschiedenen Ländern stammen aus dem akademischen Bereich und der Industrie. Die Projektlaufzeit war vom 1. April 2018 bis 31. Dezember 2021, das Projektvolumen betrug ca. 2,4 Mio. Euro.
Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM
13355 Berlin