Sicheres Greifen mit bioinspirierten Haftstrukturen
Synthetische Haftsysteme, inspiriert von den feinstrukturierten Haftoberflächen auf Basis des Gecko-Effekts, können eine Alternative zu bestehenden Greifsystemen sein. Mögliche Anwendungsgebiete finden sich beim Handling von Wafern, Displaygläsern, Linsen, Kunststoffscheiben oder empfindlichen Mikroobjekten.
Bild 1. Mikrostrukturierte Haftsysteme in der Natur und ihre Übertragung auf synthetische Hand-habungslösungen: a) die hierarchische Haftstruktur einer Geckozehe (Phlesuma nigristiata, links) mit Hunderttausenden von Setae; Rasterelektronenbild mit in feinere Spatelstrukturen verzweigten Setae (rechts); b) Rasterelektronenbild von synthetischen mikrostrukturierten Haftsystemen, die aus einem elastomeren Polymer geformt sind (links); Roboterarm, ausgestattet mit einem mikrostrukturierten Haftsystem (Gecomer-Technologie), der eine reversible Haftung demonstriert (rechts)
Fortschrittliche robotische Systeme benötigen für die voranschreitende Produktionsdigitalisierung in der Industrie neue Möglichkeiten für das sichere Greifen von Bauteilen und Objekten. Die in diesem Kontext hier vorgestellte ›Gecomer‹-Technologie beruht auf dem sogenannten Gecko-Effekt: Inspiriert von den fein-strukturierten, haarigen Haftoberflächen des Geckofußes werden synthetische Haftsysteme entwickelt
(Bild 1). Diese können, wie der Geckofuß selbst, temporär und reversibel auf verschiedensten Oberflächen haften. Die adhäsive, das heißt ›haftende‹ Wechselwirkung basiert auf rein physikalisch wirkenden Van-der-Waals-Kräften und funktioniert daher – anders als Vakuumgreifer – auch im Vakuum. Des Weiteren lassen sich die Haftsysteme aufgrund fortgeschrittener Fertigungsverfahren mittlerweile für die Handhabung von Objekten mit Abmaßen von wenigen Mikrometern bis hin zu mehreren Metern skalieren. Damit ist diese rückstandsfreie, temporäre Haftung für zahlreiche Anwendungen interessant.
Natürliche Lösungen für unterschiedliche Bedingungen
Adhäsion – die gegenseitige Anziehung von Objekten, die sich in Kontakt befinden – ist ein universelles Phänomen, das von fast allen Materieklassen gezeigt wird. Im Laufe der biologischen Evolution haben sich Lösungen zur Kontrolle der Adhäsion entwickelt, zum Beispiel, um es Organismen zu ermöglichen, sich vorübergehend oder dauerhaft an Festkörper in verschiedenen Umgebungen zu binden. Solche natürlichen Lösungen gibt es für normale Umgebungsbedingungen, für hohe und niedrige Temperaturen, für variable Luftfeuchtigkeit und sogar für Haftung unter Wasser. Die Reversibilität erlaubt das wiederholte Anhaften
und Ablösen von Objekten, ohne diese selbst zu beschädigen. Die spannendsten Beispiele für solche wieder-verwendbaren Haftsysteme sind in der Natur die fibrillären Fußpolsterorgane von Insekten, Spinnen und Eidechsen. Für Evolutionsbiologen ist es von Interesse, dass sich viele dieser Fußpolster in ihrer Morphologie auffallend ähnlich sind: Langgestreckte fibrilläre Strukturen mit Aspektverhältnissen von 10 bis 80 führen zu terminalen Elementen sehr unterschiedlicher Form [1]. Bei einigen Tieren, wie dem Gecko, ist die Haft-fähigkeit ihrer Zehenpolster insbesondere auf die Van-der-Waals-Wechselwirkungen zurückzuführen. Beim Gecko bestehen die Fibrillarkissen aus Millionen von Keratinhaaren (Setae genannt), die sich in noch feinere Endelemente (Spatulae) verzweigen (Bild 1a). Eine solche hierarchisch organisierte Struktur führt zu einer weichen und nachgiebigen Oberfläche, die eine einfache Anpassung an die Rauheit auf Kosten geringer Dehnungsenergie ermöglicht und somit die Haftung verbessert. Außerdem ermöglicht sie eine Haftung auf vielen Oberflächen, sowohl in Scher- als auch in Normalrichtung, was für Tiere wie den Gecko von ent-scheidender Bedeutung ist. Im Gegensatz dazu ist es für technische Anwendungen oft von Vorteil, Haft-systeme oder Greifer für spezifische Anwendungen zu optimieren. Dies erlaubt es, die Performance zu verbessern und gleichzeitigt die Fertigung der Haftstrukturen zu vereinfachen und wirtschaftlich zu machen. [...]
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